„Meine Hündin besteigt ihre Schwester / beste Freundin / Mutter – muss ich mir Sorgen machen?“
Diese Frage begegnet mir in meinem Alltag als Hundehalterin, Züchterin und Naturtherapeutin immer wieder. Und ehrlich gesagt: Ich musste selbst irgendwann schmunzelnd einsehen – da läuft so viel mehr ab, als es auf den ersten Blick scheint.
Denn was aussieht wie ein Deckakt, ist in Wahrheit eine vielschichtige Sprache aus Hormonen, Gefühlen und Rudelregeln.
Klingt kompliziert? Ist es auch – aber keine Sorge, ich nehme dich mit hinter die Kulissen eines Verhaltens, das mehr über die innere Welt unserer Hündinnen verrät als man denkt.
Erste Beobachtung: „Das sieht ja aus wie … Deckakt?!“
Wenn zwei Hündinnen sich gegenseitig aufreiten, entsteht bei uns Menschen oft erstmal Irritation – oder betretenes Lächeln.
Doch dieses Verhalten ist nicht automatisch sexuell motiviert. Es ist weder peinlich noch pervers, sondern ein völlig normales Ausdrucksverhalten, das zum feinen Repertoire sozial lebender Tiere gehört – besonders bei Hunden, die in enger Gemeinschaft wie einem Rudel leben.
Doch was will deine Hündin dir damit eigentlich sagen? Eine läufige Hündin sendet starke Duftstoffe aus – insbesondere in der Standhitze (Östrus), wenn die Östrogenspiegel am höchsten sind. Andere Hündinnen im Rudel reagieren auf diese Signale oft viel intensiver, als man es erwarten würde.
Das Aufreiten auf eine läufige Hündin kann eine Reaktion auf deren Duftstoffe sein, aber nicht aus sexueller Motivation heraus – sondern eher als Mischung aus sozialer Erregung, Neugier, Unsicherheit und hormoneller Überstimulation. Besonders bei Junghündinnen oder hormonell sensiblen Tieren kann das zu einem Nachahmungsverhalten führen – ähnlich einer "Verhaltensspiegelung". Die hormonellen Reize können sogar dazu führen, dass eine andere Hündin Scheinträchtigkeit entwickelt – durch den Anstieg von Prolaktin im Anschluss an eine scheinbare Ovulation.
Körpersprache statt Klartext: Was das Aufreiten bedeutet
Das Besteigen – also das gezielte Aufsitzen auf den Rücken eines anderen Hundes, oft mit rhythmischer Bewegung – ist ein körpersprachliches Signal. Und zwar eines mit mehreren möglichen Beduetungen:
1. Soziale Ordnung klären: „Ich bin gerade mal die Chefin, ja?“
Im natürlichen Hunderudel ist die Rangordnung ein wichtiges Element. Wer darf zuerst fressen? Wer geht voran? Wer darf wen maßregeln?
Aufreiten kann in diesem Zusammenhang eine ritualisierte Dominanzgeste sein. Es sagt: „Ich sichere mir hier gerade meinen Platz – nicht böse gemeint, nur zur Orientierung.“
Besonders bei Hündinnen, die gerade hormonell durchgeschüttelt sind, kann dieser „soziale Kompass“ kurzzeitig neu kalibriert werden. Und das macht sich auch körperlich bemerkbar.
2. Zyklustheater – Wenn Hormone Regie führen
Jetzt wird’s spannend. Denn hormonell betrachtet sind Hündinnen in einem Rudel kleine Biochemie-Labore auf vier Pfoten.
Wenn eine Hündin läufig wird, bleibt das nicht ohne Folgen für die anderen.
Man spricht von Zyklussynchronisation: Durch Pheromone im Urin, Speichel und über die Haut beeinflussen sich Hündinnen gegenseitig – und plötzlich sind gleich mehrere gleichzeitig „in Stimmung“. Doch das bedeutet nicht, dass sie einander verführen wollen. Vielmehr sorgt das hormonelle Chaos für:
Erhöhte Erregbarkeit und Veränderte Geruchswahrnehmung und auch Übersteigerte Reaktionen auf Nähe und Berührung.
Hündinnen durchlaufen während ihres Zyklus unterschiedliche Verhaltensphasen, die von den Rudelmitgliedern registriert und beantwortet werden:
Aufreiten kann sowohl in der Hochphase (Östrus) als auch in der Rückbildungsphase (Metöstrus) auftreten, ist aber selten in der hormonellen Ruhephase (Anöstrus) zu beobachten – das spricht eindeutig für eine hormonelle Mitsteuerung. Das Aufreiten kann dann eine Stressreaktion sein – oder eine Art hormonell motivierte Übersprungshandlung. Ähnlich wie wir Menschen manchmal unruhig mit dem Bein wippen oder zu viel Schokolade essen, wenn uns etwas überfordert, tun Hündinnen eben das, was ihnen zur Verfügung steht: aufreiten.
3. Prolaktin, Pseudogravidität und die Rolle der Mitläuferin
Nach der Läufigkeit folgt bei Hündinnen eine hormonelle Phase, in der es zur sogenannten Scheinträchtigkeit kommen kann – ob gedeckt oder nicht.
Hier spielt das Hormon Prolaktin die Hauptrolle: Es bereitet den Körper auf eine mögliche Mutterschaft vor. Und ja – das kann auch bei Hündinnen im Rudel passieren, die gar nicht selbst läufig waren, sondern nur mit einer läufigen Hündin zusammenleben.
Sie „schwingen hormonell mit“, entwickeln Nestbauverhalten, werden überfürsorglich – und zeigen manchmal auch vermehrtes Aufreiten, gerade wenn die Emotionen überkochen.
Es ist ein bisschen so, als ob in einem Freundeskreis plötzlich alle gleichzeitig PMS haben – kein Spaß, aber erklärbar.
Nach dem Östrus (Standhitze) fällt das Östrogen ab, und Progesteron steigt stark an – selbst bei Hündinnen, die nicht gedeckt wurden. Dieser Verlauf ist bei intakten Hündinnen immer gleich, ob trächtig oder nicht.
4. Spiel, Spannung, Übersprung
Auch jenseits von Rang und Hormonlage kann Aufreiten eine Rolle spielen – besonders bei jungen Hündinnen:
Hier geht’s nicht um Macht oder Sex – sondern einfach darum, mit der inneren Unruhe irgendwie klarzukommen. Hunde sind Meister im Improvisieren. Und was für sie funktioniert, wiederholen sie – auch wenn wir Menschen es nicht einordnen können.
Dann darfst du liebevoll Grenzen setzen und ggf. auch naturheilkundlich begleiten – mit Mönchspfeffer, Reishi, Frauenmantel oder sanft regulierenden Globuli wie Pulsatilla oder Sepia. Frag mich gern, ich helfe dir einen individuellen Ernährungs oder aber auch Plan zur natürlichen Unterstützung für Deine Hündin zu erstellen.
Wenn Hunde „reiten“, reiten sie nicht – sie kommunizieren
Was auf uns wirkt wie ein kurioses Schauspiel, ist in Wahrheit ein tief verankerter Teil des innerartlichen Ausdrucks.
Das Aufreiten zwischen Hündinnen ist Sprache, Spannungslöser, Stressventil und Hormonbote zugleich. Es zeigt uns, wie fein die Bindungen im Rudel sind – und wie sensibel Hunde aufeinander reagieren.
Also: Bevor du erschrickst oder deine Hündin in ein Benehmens-Seminar schicken willst – atme kurz durch, beobachte genau und denk daran:
Aufreiten ist nicht anstößig – es ist Kommunikation auf vier Beinen.
Und wenn du das nächste Mal zwei Hündinnen beim „Rudelrückentango“ erwischst, darfst du innerlich schmunzeln – und gleichzeitig wissen: Hier läuft gerade ein ganz leiser Dialog, den man nur versteht, wenn man ganz genau hinhört.